In diesem Artikel erkunde ich, inwiefern die Integration des aus Japan stammende Ikigai-Modells und der Teilfrage «Was die Welt von uns benötigt» für mehr Sinnhaftigkeit im Beruf sowie für eine bessere Umweltleistung von Organisationen und Firmen sorgen kann. Dabei ergründe ich, welchen Stellenwert wir der (Um)Welt respektive unserem Lebensraum beim Treffen von privaten und beruflichen Entscheidungen geben.
Ikigai-Modell
Das Ikigai-Modell geht von 4 Grundpfeilern aus. Um Sinnhaftigkeit und Erfüllung im Beruf sowie Privat zu finden, also sein eigenes persönliches Ikigai zu entdecken, ist es essentiell die Schnittmenge von folgenden 4 Kernpunkten zu finden: (1) Was kann ich gut, (2) was mache ich ganz besonders gerne, (3) wovon kann ich leben und (4) was benötigt die Welt von mir. In anderen Worten wie bringe ich meine Passion, meine Berufung, meine Mission und mein Beruf in ein Gefäss.

Eigene Darstellung in Anlehung an Diagramm Marc Winn
Ikigai im Unternehmenskontext
Übertragen auf Organisationen und Firmen kann das Ikigai-Modell in folgende vier Pfeiler übersetzt werden: (1) Kernkompetenz der Unternehmung, (2) womit sie Geld generiert, (3) was ihr Antrieb oder ihre Passion ist und (4) ihre Mission respektive welchen Beitrag sie für die Welt bieten möchte. Auf den letzteren Punkt, die Mission, möchte ich näher eingehen.
Bei Nonprofitorganisationen ist die Mission im Leitbild, neben Formulierungen zur Vision, zentral und sie beantwortet genau die Frage des «Was benötigt die Welt von mir respektive uns». Gerade im Kontext des Klimawandels und was jeder einzelne von uns dagegen tun kann, wird diese Frage essentiell. Wie wäre es also, wenn wir die Frage «Was will die Welt von mir» in die Entscheidungsprozesse im Geschäftsalltag sowie in der strategischen Ausrichtung von Firmen, NGOs und öffentlich-rechtlichen Körperschaften integrieren und den Bedürfnissen der (Um)Welt einen Wert geben?

Auszug Ikigai-Modell: Mission - Was die Welt braucht.
Hier einige praktische Beispiele:
(1) Eine öffentlich-rechtliche Körperschaft baut ein neues Gebäude und schreibt das Vorhaben aus. Es treffen verschiedene Angebote ein. Unter der engeren Auswahl gibt es ein Angebot, welches eine gute Qualität zu einem guten Preis bietet, jedoch nachhaltige Kriterien mittelmässig abdeckt. Ein weiteres Angebot, welches qualitativ auf dem gleichen Stand ist und gleichzeitig alle ökologischen Kriterien erfüllt, kostet jedoch 10% mehr.
Hier kommt wieder unsere Frage ins Spiel «Was will die Welt von uns?». Geben wir in den Entscheidungskriterien «der Natur» einen Wert oder nicht? Sagen wir, dass die 10% teurere Variante zwar finanzierbar wäre, jedoch unsere Entscheidung rein vom Preis abhängig ist? Oder befinden wir, dass 10% höhere Kosten es wert sind einen Beitrag zur Natur zu leisten? Jede Unternehmung und Organisation hat es in der Hand, wie sie die Bedürfnisse der Welt in ihre Entscheidungen integriert, respektive ganz konkret welchen Prozentsatz von den Gesamtkosten die Ökologie wert sein darf.
(2) Investmentbanker:innen können sich die Frage stellen, was sie mit ihren Entscheidungen für die Gesellschaft und Umwelt kreieren. Wenn sie unsere Frage im Entscheidungsprozess integrieren, können kleine Veränderungen eine grosse Wirkung erhalten. Das heisst nicht, dass sie sich immer für die nachhaltigste Anlage/Investition entscheiden, aber eben auch nicht nur für die (kurzfristig) profitabelste, jedoch für die Natur oder den Menschen schädlichere Variante. Wenn Banken ihren Investmentbankern klar kommunizieren, welchen Wert sie der Nachhaltigkeit bei ihren Entscheidungen beimessen dürfen, können sie einen essentiellen Beitrag für die Welt, die Natur und den Menschen leisten. Hier geht es darum, wie Werte im Geschäftsalltag gelebt werden.
(3) Ein Coiffeur oder eine Coiffeuse können sich ebenfalls die Frage stellen «Was benötigt die Welt von mir?». Wenn sie diese Frage in ihren Entscheidungen einfliessen lassen, wählen sie umweltfreundlichere Shampoos und tragen so einen Beitrag für das grosse Ganze bei. Neben der Freude für den Beruf, können sie mit ihrem Beitrag Sinnhaftigkeit in Bezug auf die Ökologie in ihrer Tätigkeit finden.

Fazit
(1) Integration von Ikigai-Modell in unseren Entscheidungsprozessen
Wenn wir die Frage «Was die Welt von uns benötigt» in unsere persönlichen sowie beruflichen Entscheidungen zu einem Prozentsatz, den wir selber als Unternehmung oder auch als Privatperson festlegen, integrieren, kommen wir zu anderen Entscheidungen, als wenn wir dies nicht tun. Das heisst nicht, dass Nachhaltigkeit alleine unsere Entscheidungen beeinflussen. Sondern es sind auch andere Kriterien wie Wirtschaftlichkeit und Soziales zu bewerten. Es bedeutet jedoch, dass wir dem Gedanken einen festen Platz und der Natur einen Wert oder Prozentsatz in unserer Entscheidungsfindung geben. Bei grösseren Entscheidungen könnte man beispielsweise mit Nutzwertanalysen und der Paarvergleichsmatrix arbeiten, wo die Natur als festes Kriterium integriert wird. Diese Vorgehensweise bei der Entscheidungsfindung kann zu einem Automatismus werden, kann sogar ein Teil unserer DNA und Unternehmenskultur werden.
(2) Mehr Sinnhaftigkeit für Mitarbeitende durch Integration von IKIGAI-Modell
Neben dem positiven Effekt für die Umweltleistung durch die Integration unserer Frage, kann dies auch für Mitarbeitende mehr Sinnhaftigkeit im Beruf bringen. Wenn Mitarbeitende wissen, dass die Unternehmung Wert darauflegt, den Lebensraum der Mitarbeitenden und deren Familien zu erhalten, hat dies einen positiven Effekt auf die Wahrnehmung gegenüber der Unternehmung. Somit kann mehr Loyalität gegenüber der Unternehmung entstehen. Weiter kann es zu einem Nachahmungseffekt führen, bei dem Mitarbeitende eine nachhaltige Denkweise in ihr privates Umfeld weitertragen.
Ich freue mich auf Ihre Kommentare und Überlegungen.
Melanie Troxler
Betriebswirtschafterin und Coach für
Entwicklungs- und Veränderungsprozesse
Deine Überlegungen zu Ikigai finde ich gerade sehr inspirierend. Das Abstimmen der vier Aspekte ist für mich als Selbständigerwerbender immer wieder eine richtige Challenge. Dir gratuliere ich zu deinem 5 jährigen Jubiläum herzlich. Daniel Wiederkehr, www.wandelwerkstatt.ch